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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

02/2014 Naturnah

Wohn.kultur

Holz-Hostel der Zukunft

Bald öffnet das neuste Prestigeobjekt der Schweizer Jugendherbergen seine Tore in Saas-Fee: Das Wellness Hostel 4000. Als Public Private Partnership und als erster fünfgeschossige Holzbau dieser Art in der Schweiz hat das Projekt Leuchtturmcharakter.

Am Ortseingang von Saas-Fee wird der Bau thronen, fünf Geschosse aus Nordischer Fichte, auf einem Betonsockel, im Design einem Stadel nachempfunden, einem Holzhaus, wie es zum Märchenbild der Schweizer Alpen gehört. Ein Bau mit Leuchtturmcharakter, wie der Bauherr gerne betont. Denn das Wellness Hostel 4000 ist der erste fünfgeschossige Holzbau mit Beherbergungsbetrieb in der Schweiz. Und eine Jugendherberge.

Im September 2014 ist nach fünf Jahren Planungs- und Bauphase Eröffnung, 168 Betten bietet das neue Hostel, ein Drittel davon steht in Doppelzimmern. Mit der Jugendherberge, wie man sie aus Kindertagen kennt, mit Faustbroten zum Frühstück und leicht stickigen Massenlagern, hat die neue Generation von Jugendherbergen nicht mehr viel gemein. Abends werden den Gästen Drei-Gang-Menüs aufgetischt, die Zimmer sind geräumig, mit schicken Bädern und modernem Design. Der Aufwand hat sich wohl gelohnt: Die Reser­vationen für Übernachtungen im neuen Prestigebau bewegen sich bereits im vierstelligen Bereich. «Es entspricht dem Trend, dass Low- Budget-Häuser gutem Design einen hohen Stellenwert beimessen», sagt René Dobler, CEO der Schweizerischen Stiftung für Sozial­tourismus und damit Bauherr der Jugendherberge. «Dass die Zimmer kleiner sind als in einem Sterne-Hotel und weniger Komfort bieten, akzeptieren die Leute zu einem gewissen Mass. Aber dann darf es nicht auch noch billig aussehen.» Das Design müsse die einfache Dienstleistung kompensieren. «Das Wenige, was man bietet, soll gut sein, das darf nicht ins Billige kippen», so Dobler. Der Modulbau habe sich nie durchgesetzt. «Die Leute bleiben aus, wenn das Haus billig aussieht, da investieren wir lieber ins Design», so Dobler. Gute Architektur sei nicht zwingend teurer als schlechte.

Nachwachsender Rohstoff
Auch energietechnisch entspricht das Hostel den neusten Standards: «Wir haben nach Minergie-Eco-Standard gebaut, durften also nur Baustoffe verwenden, die rückgebaut werden können», sagt der leitende Architekt des Baus, Daniel Hoefer vom Büro Steinmann & Schmid in Basel, das in Visp eine Zweigstelle betreibt. «Ausserdem sind wir an ein Solar- Fernwärmenetz angeschlossen, wir haben Solarkollektoren montiert.» Nachhaltigkeit sei in der Tourismusbranche ein immer wichtigeres Thema. «Holz ist ein nach­wachsender Rohstoff», sagt Hoefer, «auch deshalb haben wir uns für Holz als Baumaterial entschieden.»

Auch habe man damit viel schneller bauen können. «Die Bauzeit war kurz, sechs Monate hatten wir bloss, zur Ferienzeit darf wegen der Lärmbeschränkung nicht gebaut werden. Holzbau hat den Vorteil der Vorfertigung», sagt Hoefer. «Wir hätten auch einfach eine Holzfassade machen können, aber wir wollten mehr.» Den viel grösseren Planungsaufwand im Vorfeld nahm man dafür in Kauf. «Die grösste Herausforderung war das Zusammen­fügen von Holzbau und Massivbau. Wir mussten viel genauer arbeiten.» Dieser Ablauf ist typisch für das Baumaterial Holz. «Die Decken in den Zimmern, das sind rohe Holzdecken. Im Eingangsbereich im Erdgeschoss sind die wichtigsten Ausbauten aus Holz», so Hoefer. Der nette Nebeneffekt: Holz verbindet den Charme eines Chalets mit moderner Architektur, ist ein Material, das Wärme und Wohlgefühl aus­strahlt.

Ausnahmebewilligung für Prestigebau
Bis zur Realisierung des Holzbaus war es ein anspruchsvoller Weg: Die Behörden mussten eine Spezialgenehmigung aussprechen – die geltenden Brandschutznormen hatten einen solchen Bau bis anhin verunmöglicht. Der Kanton Wallis und die Gemeinde Saas-Fee erteilten schliesslich eine Ausnahmebewilligung, die Architekten erarbeiteten zusammen mit dem Bauherr, der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus, und der Gemeinde ein Konzept. «Das Gesamtprojekt haben wir gemeinsam geplant, zusammen mit der Gemeinde als Bauherrin des Wellnessbereichs Aqua Allalin», sagt Dobler. Man habe die bestehenden Möglichkeiten für Synergien nutzen wollen. «Wir wollten am Standort Saas-Fee eine Jugendherberge bauen und die Gemeinde brauchte eine Lösung für die stark defizitäre öffentliche Freizeitanlage im Untergeschoss, die schon davor bestand. Zuerst wurde der Sockel mit dem Aqua Allalin vollständig umgebaut, dann musste nur noch der Holzbau daraufgestellt werden.» Die Kombination von Hostel und Wellnessbereich/Hallenbad biete also für beide Seiten die optimale Lösung. Man habe nun für beides eine gemeinsame Réception, gemeinsames Perso­nal, gemeinsame Reinigung. Auch Roger Kalbermatten, Gemeindepräsident von Saas-Fee, sagt, sowohl Gemeinde als auch die Jugendherbergen würden von dieser Public-private- Partnership, diesem Gemeinschaftswerk, nur profitieren.

Das sahen wohl auch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Saas-Fee so, die dem Projekt im November 2011 an der Urne grünes Licht gaben. 6,8 Millionen Franken hat die Burgergemeinde Saas-Fee mithilfe des Kantons Wallis an den Bau gezahlt, die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus investierte über zehn Millionen Franken. «Das entspricht den Kosten für ein neues Hostel mit rund 160 Betten im Top-Standard», sagt Dobler. Saas-Fee sei ein bekannter Standort, die Lage des Hostels, drei Minuten von der Talstation entfernt und direkt an der Feeschlucht gelegen, einmalig.

Weitere Neubauten sind in Planung
Derzeit zähle man bei den Schweizer Jugendherbergen rund eine Million Logiernächte im Jahr, das sei ein Prozent der Logiernächte der Schweiz. «Im Low-Budget-Bereich sind wir einer der Hauptanbieter», sagt Dobler, ein Umsatz von 50 Millionen Franken pro Jahr sei das Ziel, das bedingt noch mehr Übernachtungen. Man habe die Eurokrise gespürt, sagt Dobler, doch man sei gut durch das Tal gekommen. Für 2014 sind weitere Bauten geplant, auch in Gstaad entsteht ein Neubau, in ­Avenches wird renoviert, in Bern ist gerade der Architekturwettbewerb abgeschlossen, ein Umbau mit Teilneubau ist geplant. In Genf ist die Stiftung auf der Suche nach einem zweiten Haus, in Burgdorf will die Stadt das Schloss zu einer Jugendherberge umfunktionieren. «Der grosse Reservationsschub für Saas-Fee kommt noch», sagt Dobler, im Allgemeinen reservierten die Leute heute viel kurzfristiger als noch vor ein paar Jahren.

Anders als es die Medien behaupteten, klopften sich die Jugendherbergen den Staub nicht erst jetzt ab, sagt Dobler. «Das Image, das den Jugendherbergen noch immer anhaftet, ist längst veraltet», sagt Dobler. Man renoviere und investiere schon seit den Neunziger­jahren in die Instandhaltung und den Ausbau der Jugendherbergen in der Schweiz. Man müsse stetig erneuern, sonst komme am Ende keiner mehr. «Die Kunden in diesem Segment sind aber sehr preissensibel», sagt Dobler. Trotz guten Designs bleiben aber auch bei Neubauten die Preise im bekannten Low-Budget- Bereich. So ein Neubau wie in Saas-Fee werde nicht alle Tage gemacht. «Dank der Grösse unserer Organisation mit 53 Jugendherbergen in der Schweiz und einer langfristigen Investitionsstrategie ist es uns möglich, jeweils zum optimalen Zeitpunkt zu sanieren oder neu zu bauen», sagt Dobler.

Wellnessluxus zum kleinen Preis
In Saas-Fee kostet eine Übernachtung im Dop­pelzimmer künftig 125 Franken für zwei Personen; Frühstücksbüffet, Bettwäsche, Taxen und Eintritt ins Hallenbad inklusive, das Drei-Gang- Abendessen kostet 17.50 Franken extra. Eine Übernachtung mit fünf anderen Personen im Raum ist ab 43 Franken zu haben, «da sind wir nicht teurer geworden als vor ein paar Jahren in vergleichbaren Betrieben», sagt Dobler. Die Benutzung des neuen Wellnessbereichs Aqua Allalin mit Saunen, Dampfbad, Nabelstein, Whirlpool und Ruheraum, im Sockel des Prestigbaus versteckt, kostet nochmals 13 Franken extra am Tag, nichts im Vergleich zu den teuren Spa-Angeboten der Hotels aus der Region. «Spektakuläre Aussicht auf die umliegenden Berge und Gletscher» und «einmalige Lage direkt an der rund 300 Meter tiefen Schlucht der Feevispa» inklusive, wie es im Projektbeschrieb heisst. Von Konkurrenz will Dobler trotzdem nicht sprechen. «Wir bieten ja nicht das gleiche wie ein Hotel, bei uns schlafen die Leute und essen etwas Kleines, sie schätzen die einfache Infrastruktur. Bei uns können die Kinder in der Eingangshalle herumrennen, wir sprechen eine andere Klientel an als die Hotels in der Umgebung.» Die klarste Abgrenzung sei, dass man Betten anbiete und keine Zimmer. Und auch in Saas-Fee sei der grosse Anteil der Bettenanteil, nicht die Einzelzimmer. Es ist eben doch nicht alles anders geworden, in den Schweizer Jugis. Aber genug, um sich mal wieder in so ein Bett zu wagen. Auch wenn die Zeit der Schullager längst vorbei ist.

Das Projekt – die Zahlen und Fakten

Entwicklungs-/Planungszeit: 2009–2014
Fertigstellung: September 2014
Energielabel: Minergie-ECO
Preis/Auszeichnung: keine bisher, angemeldet für diverse, bspw. Watt d’Or
Materialien: Massivbau mit Holz-Hybrid-Bauweise
Projektdetails: Wellnessbereich mit finnischer und Biosauna, Dampfbad, Whirlpool, Gletscherbalkon sowie öffentlichem Barbereich für Jugi und Wellness
Bauherrschaft: Jugendherberge Saas-Fee: Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus, Zürich. Wellness Aqua Allalin: Burgergemeinde Saas-Fee
Architektur/Planung: Steinmann & Schmid Architekten, Basel/Visp
Holzbauplanung: Makiol + Wiederkehr Holzbauingenieure, Beinwil am See
Holzarbeiten: Implenia Holzbau Schweiz

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