01/2017 Natur pur
Lebens.raum
Idyll im urbanen Raum
Auf der Parzelle «Gottsäckerli» bildet der neue Gemeindepavillon mit der Dorfkirche Kleinhüningen in Basel ein ruhiges Ensemble inmitten des städtischen Treibens. Der Neubau zeichnet sich durch eine zurückhaltende, auf den Ort abgestimmte Erscheinung aus und lässt die Grenzen zwischen draussen und drinnen verschwimmen.
Text und Pläne BRI Architekten | Fotos Peter Schulthess
Kleinhüningen war bis zur Eingemeindung am Anfang des 20. Jahrhundert ein eigenständiges Dorf. Jahrhunderte zuvor lagerte Attila der Hunnenkönig mehrmals in der Gegend der Wiesenmündung. Er gilt der Legende nach als Gründer von Kleinhüningen. Das Gebiet nördlich der Wiese bildet das heutige Quartier Kleinhüningen im Norden Basels. Weiter dahinter beginnt das Hafengebiet mit seinen Industriebauten. Das Kirchenareal selber zeichnet sich aus als ein durchgrünter Stadtraum - begrenzt durch ein 60 Meter hohes Betonsilo. Dazwischen spannt sich ein kleiner Platz mit Brunnen und Bänken, der sich zu einer parkähnlichen Umgebung ausweitet. Wenn die Sonne durch die Bäume scheint, wandelt sie den Raum inmitten der alltäglichen Betriebsamkeit zu einem Idyll.
Geschützter Ort der Stille
In dieser ausgewiesenen Schutzzone, in unmittelbarer Nähe der Barockkirche, wünschte sich die evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt einen neuen Gemeindepavillon. Mit einer Machbarkeitsstudie, durchgeführt von der BRI-Architekten AG, wurde zunächst der beste Standort für den Neubau ermittelt. Dabei mussten die Basler Architekten beachten, dass eine örtliche Konzentration kirchlicher Angebote erwünscht war. Das zu ersetzende Kirchgemeindehaus, welches seit Längerem baufällig war, lag nicht in der Nähe des Areals und wies daher eine zu grosse Distanz zur Kirche auf. "Im kirchlichen Kontext bauen zu dürfen und darin das angemessene architektonische Verhalten auszuloten - das hat etwas Besonderes", betont Stefan Bringolf, Geschäftsleiter der BRI-Architekten AG.
In der Machbarkeitsstudie bezogen die BRI-Architekten nebst der Denkmalpflege und der Stadtgärtnerei auch die Archäologische Bodenforschung mit ein, da das Areal einst für einen Friedhof genutzt worden war. Das städtebauliche sowie architektonische Konzept, den Baukörper in seiner Gestalt zurückhaltend erscheinen zu lassen, überzeugte die Denkmalpflege. So ist der Neubau vom eigentlichen Strassenraum aus nicht zu sehen. Stattdessen wartet er im Rücken der Kirche - zusammen mit dem kleinen Park als Ort der Stille und Besinnung - immer wieder von Neuem darauf, entdeckt zu werden. Die äussere Erscheinung des Gemeindepavillons wird durch eine einfache, aber auf den Ort abgestimmte Formensprache, Materialisierung und Farbgebung geprägt. Die Holzfassade bezieht sich auf die Bäume in der direkten Umgebung, auf deren Stämme und Rinde. Die Metallbauteile hingegen nehmen die Farbgebung der Kupferelemente der Kirche auf. Auch mit seinen seitlichen Fassadenknicken reagiert das Volumen auf die Umgebung. Es ist präzise zwischen, beziehungsweise unter die beiden geschützten Ahornbäume eingepasst. Das bestehende Platz-und Wegsystem gliedert die Umgebung, in der nur geringfügige Anpassungen wie etwa Ersatzpflanzungen auf den Grünflächen notwendig waren.
Fichtenfassade mit Wechselspiel
Eine starke Ortsbezogenheit prägt als wichtiges Kriterium den Entwurf. Deshalb kommt aufgrund des vorherrschenden Baumbestandes auch das Material Holz in verschiedenen Ausprägungen und Behandlungen zur Anwendung. Den Holzsystembau und die Fassade erstellte die Häring Holz- und Systembau AG aus Eiken (AG). Die Verkleidungselemente aus nordischer Fichte sind mit einer silbergrauen Lasur geschützt sowie vorbewittert. Die vertikale Gliederung verleiht dem Volumen eine ausgewogene Proportion zwischen Länge, Breite und Höhe. Dabei sind die verwendeten Fassadenelemente unterschiedlich breit und dick. Weil sie unregelmässig im Wechselspiel zwischen liegend und stehend angeordnet sind, geben sie der Fassade Tiefe. Dieses Gestaltungselement ermöglicht es, sekundäre Öffnungen in der Perspektive verschwinden zu lassen. Dabei werden die liegenden Elemente unterbrochen, die stehenden laufen durch.
Die Tragkonstruktion folgt den Regeln des Holzelementbaus, wobei die Haupttragachsen jeweils von Fassadenknick zu Fassadenknick ein Kreuz bilden. Die Dachkonstruktion besteht aus gedämmten Hohlkastenelementen. Über diesen liegt eine Gefällsdämmung mit extensiver Dachbegrünung. Die Anschlussdetails sind so schlank und fein wie technisch möglich, um nicht in Erscheinung zu treten. Dasselbe gilt auch für die Befestigungen und die Verschraubungen der Fassadenverkleidung sowie des Vordachs. Auch die Konstruktion in der Gebäudehülle wird bewusst zum Verschwinden gebracht. Form und Materialität stehen beim Pavillon daher immer im Vordergrund. Das sehr minimalistische Materialkonzept zieht sich durch den ganzen Pavillon: Innenwände und Decken bestehen aus lasierten Dreischichtplatten. Hier wurde bewusst auf eine verdeckte Konstruktion zugunsten einer einfacheren und kostengünstigeren Montage verzichtet. Der Bodenbelag besteht aus einem geschliffenen Anhydrith-Material, das, nur durch eine kleine Fuge getrennt, direkt an die Wandverkleidung anschliesst. In der Küche ist aufgrund der geforderten Rutschfestigkeit ein Kunstharzboden eingebracht; in Küche und WCs sind einige Wandflächen aus Hygienegründen mit Vollkernplatten belegt. Die Gebäudehülle entspricht dem Minergie-Standard. Auf eine Komfortlüftung wurde aber verzichtet. Der Pavillon verfügt über eine Niedrigtemperatur-Bodenheizung. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Betriebszeiten wird das Warmwasser zentral mittels Elek-troboiler erzeugt.
Ein Saal bis unter das Himmelsdach
Zur Kirche hält das Volumen einen ausgewogenen Abstand, um den Platz dazwischen so zu fassen, dass der Umgebungsschutz gewährt bleibt und ein intimer, kontemplativer Aussenraum entsteht. Der Hauptinnenraum des Pavillons integriert die grüne Umgebung in sein Raumkonzept: Durch die raumhohen und raumbreiten Schiebefenster wird die Fläche des 50 Quadratmeter grossen Saals sommers bis unter den freien Himmel erweitert. Weitere Öffnungen wie Lüftungsflügel und Küchenfenster bleiben hinter der Fassadenkonstruktion verborgen. Der Pavillon organisiert seinen Grundriss anhand der Längs-achse der Kirche. Die eigentlichen Pavillon-Hauptachsen liegen jeweils im Knick der Längs- und Querseiten, ein Kreuz bildend, und teilen den Grundriss in vier annähernd gleich grosse Teile. Zwei davon sind durch den Saal besetzt, in einem weiteren Teil liegt die Gastroküche. Im vierten Teil sind die Nebenräume sowie das Foyer. Nicht nur der Saal, sondern der gesamte Pavillon bietet eine hohe Nutzungsvariabilität. In erster Linie dient der Betrieb dem Leben innerhalb der evangelisch-reformierten Kirche Kleinbasels, aber auch den ihr zugewandten Vereinen sowie Privaten für Feste oder Seminare.
Die Barrierefreiheit, das leichte Gefälle zum Platz für die Entwässerung der Belagsflächen und der Wurzelschutz sind Kriterien, die es bei der Setzung des Gebäudes zu berücksichtigen galt. Insbesondere durften die Wurzeln der geschützten Bäume nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Daher sind die Fundamentstreifen in Regionen des Wurzelbestandes unterbrochen oder meiden ab einer bestimmten Tiefe das Erdreich. bri-architekten.ch, http://haring.chharing.ch
BRI-Architekten AG, Basel
Die BRI-Architekten AG ging per 1. Januar 2014 aus der Firma Fierz Architekten Basel hervor. Die Kompetenzen liegen sowohl in Planung und Ausführung architektonisch anspruchsvoller Neubauten wie auch im Umgang mit bestehender Bausubstanz und deren Ergänzung mit zeitgenössischen Mitteln. Dabei interessieren insbesondere Aspekte der Bereiche Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt, soweit sie die Architektur tangieren beziehungsweise durch räumliche und gestalterische Mittel positiv und nachhaltig beeinflusst werden können.
Das Projekt – die Fakten
Projekt: Neubau Gemeindepavillon bei der Dorfkirche Kleinhüningen, Basel
Bauherrschaft: evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt
Bauzeit: 2014 bis 2016
Planung und Ausführung:
BRI-Architekten AG, Basel
Bauingenieur: Eglin Ristic AG, Basel
Holzsystembau und Fassade: Häring Holz- und Systembau AG, Eiken (AG)
Verwendetes Holz: Konstruktionsholz DUO und BSH Fichte (17 m3), 3-Schicht-
Platten Fichte (400 m2), Fassadebekleidung Fichte (6 m3), OSB-Platten (240 m2)
Bausumme: CHF 1,2 Mio.