03/2015 Alles ausser gewöhnlich
Menschen
Nachhaltigkeit im Architekturwettbewerb
Wettbewerbe und Preise – das Universum des erfolgreichen Architekten. Einblicke und Erfahrungen von Hansruedi Preisig, Architekt und Experte in diversen Beurteilungsgremien von Wettbewerbsverfahren.
Der Aspekt der Nachhaltigkeit im Architekturwettbewerb ist heute selbstverständlich und wird erfolgreich praktiziert. Es entstehen Bauten, die einen massgeblichen Beitrag an die Schonung der Ressourcen und des Klimas erbringen, die eine hohe architektonische Qualität aufweisen sowie wirtschaftlich und funktional sind. Ein Gespräch mit Architekt und Experte Hansruedi Preisig.
Herr Preisig, der Architekturwettbewerb hat sich bei Bauvorhaben etabliert und seit Jahrzehnten bewährt. Warum?
Wichtig für jeden Planungsprozess ist in erster Linie die Evaluation von verschiedenen Lösungsansätzen, um die nach gestalterischen, funktionalen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten beste Lösung für eine bestimmte Aufgabe zu ermitteln. Ein Architekturwettbewerb hat genau diesen Zweck. Aus Sicht der Bauherrschaft sind die Kosten für ein solches Verfahren im Vergleich zu den Folgekosten des Bauwerkes für Erstellung, Betrieb und Unterhalt minimal. Es ist nicht sinnvoll, da zu sparen.
Aber als Architekt sind solche Wettbewerbe stets mit enorm hohem Aufwand verbunden und oft mit wenig Aussicht auf Erfolg. Sind Architekten Masochisten?
Nein, das gehört einfach zu diesem Beruf. Wir sehen diese Wettbewerbe als Innovationstreiber, als ständige Weiterbildung und als Möglichkeit, sich in einem geregelten Verfahren mit den Kolleginnen und Kollegen zu messen. Der Aufwand für die Teilnahme an einem Wettbewerb ist – zeitlich und damit auch finanziell – immens, das stimmt. Doch bei Erfolg ist die Anstrengung schnell vergessen.
Wie entscheidet sich, wie ein solcher Wettbewerb vonstattengehen soll?
Grundlage für die verschiedenen Verfahren bilden die Ordnung 142 für Wettbewerbe und 143 für Studienaufträge mit ihren Wegleitungen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins. Die Auswahl zwischen den unterschiedlichen Wettbewerbs- und Verfahrensarten erlaubt es, das für jede Aufgabe geeignete Verfahren zu wählen. Beispielsweise wird für viele Aufgaben der einstufige, offene und anonyme Projektwettbewerb als sinnvolles Verfahren gewählt, da dies eine grosse Vielfalt von Lösungsansätzen ergibt. Beim Studienauftrag im selektiven Verfahren hingegen bietet sich die Möglichkeit eines Dialoges mit den Teilnehmenden an.
Welches sind die wichtigsten Merkmale, die ein solcher Wettbewerb erfüllen muss?
Grundlage bilden die erwähnten Ordnungen des SIA, nach denen sich Wettbewerbe und Studienaufträge richten. Besonders wichtig sind ein klar formuliertes, fundiertes Programm, eine kompetente Jury sowie eine ordnungsgemässe Preissumme. Wettbewerbe und Studienaufträge basieren auf den Grundsätzen der Fairness und Transparenz des Verfahrens sowie der Gleichbehandlung der Teilnehmenden.
Lassen sich die Bewertungskriterien auch so einfach zusammenfassen?
Bis anhin gab es die klassischen Beurteilungskriterien wie Städtebau, Architektur, Funktionalität, Wirtschaftlichkeit. Neu dazugekommen ist das Kriterium «Energie und Umwelt», welches den bis anhin noch fehlenden Aspekt des nachhaltigen Bauens umfasst. Die Kriterien werden detailliert beschrieben, damit für die Teilnehmenden auch transparent wird, was damit gemeint ist. So wird unter «Energie und Umwelt» die Forderung nach Ressourcen- und Klimaschonung verstanden.
Wie sieht es mit den Kosten aus? Ist die nachhaltige Bauweise nicht jeweils die teurere Alternative?
Nein, überhaupt nicht. Nachhaltiges Bauen bedeutet automatisch kompaktere Volumen und einfachere Gebäudestrukturen. Das ist ressourcensparend und klimaschonend und führt öfters zu niedrigeren Kosten in Erstellung sowie Betrieb. Eine sorgfältige Planung lohnt sich für langfristig orientierte Bauherrschaften auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Baugenossenschaften, Stiftungen, Pensionskassen und Privatpersonen denken oft auf lange Sicht. Sie stehen nicht unter dem Druck von Jahres- und Quartalsabschlüssen und sind daher offen für die Idee der Nachhaltigkeit. Für sie ist wichtig, wie ein Gebäude altert und wie es repariert oder – eine Generation später – instand gesetzt oder umgebaut werden kann.
Sie propagieren die «Architekturqualität aus Enkelsicht». Was ist damit gemeint?
Was wir heute planen, bestimmt die Lebenswelt unserer Kinder sowie unserer Enkelinnen und Enkel: Ihre Bedürfnisse und Anliegen sollten in unseren Entwürfen deshalb schon heute mit einfliessen, das ist die Verantwortung unserer Generation. Aus «Enkelsicht» sind kurzfristig realisierte Erträge und momentan gesparte Kosten bedeutungslos, wichtig dagegen die Qualität von Lebensräumen, die Dauerhaftigkeit der verwendeten Materialien und Konstruktionen sowie ein sparsamer Umgang mit knappen Ressourcen.
Zurück zum Beurteilungskriterium «Energie und Umwelt». Was beinhaltet es?
Mit der Gebäudestruktur und der Gebäudeform sowie der Systemtrennung werden bereits die wichtigsten Weichen für ein ressourcen- und klimaschonendes Projekt gestellt. Im Nachhinein einen Entwurf darauf zu trimmen, verursacht immer Mehrkosten und ist vielfach nicht mehr möglich. Zur Bewertung dieses Kriteriums sind durch den SIA Instrumente entwickelt worden, wie zum Beispiel der SIA-Effizienzpfad Energie Merkblatt 2040.
Wie läuft eine solche Beurteilung genau ab?
Der Bereich «Energie und Umwelt» des nachhaltigen Bauens ist heute neben Städtebau, Architektur, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit zu einem eigenständigen Beurteilungskriterium geworden. Im Rahmen der Vorprüfung werden die Projekte nach den Vorgaben beurteilt. Die Ergebnisse werden der Jury aufgezeigt. Diese hat dann die anspruchsvolle Aufgabe, alle Kriterien im Beurteilungsprozess gesamtheitlich einfliessen zu lassen. Das führt in der Regel zu Bauten von hoher architektonischer Qualität, die wirtschaftlich und auf den Nutzer abgestimmt sind und zudem einen massgeblichen Beitrag an die Schonung der Ressourcen und des Klimas zu leisten vermögen. Das sind dann im umfassenden Wortsinn nachhaltige Bauten.
Hansruedi Preisig
Hansruedi Preisig, 1948 in Teufen (AR) geboren, Prof. em. dipl. Arch. SIA. Inhaber eines Architekturbüros in Zürich und ehemaliger Dozent an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW in Winterthur. hanruedipreisig.ch
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