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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

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AUS.GEZEICHNET

Bauen mit eigenem Holz – Herausforderung und Mehrwert

Wer mit eigenem Holz baut, erhält ein Gebäude mit Mehrwert. Der emotionale Bezug zum «eigenen Rohstoff», die Minimierung grauer Energie durch kurze Transportwege und die lokale Wertschöpfung durch die Verarbeitung in der Region sind wichtige Faktoren für die private und öffentliche Bauherrschaft.

Text Christoph Spinnler, Lignum | Fotos Franz Knuchel; zVg

 

Immer mehr Bauherren wollen Holz aus dem eigenen Wald für ihr Bauvorhaben verwenden. Hierbei gibt es allerdings einige Herausforderungen zu beachten. Eine frühzeitige und sorgfältige Planung ist zentral, ebenso eine gute Kommunikation zwischen allen Baubeteiligten – und zwar über die «normalen» Schnittstellen hinaus. So können die Aufwände und Risiken für alle involvierten Parteien begrenzt werden und der Mehrwert – ökologisch, emotional und wirtschaftlich – kann zum Tragen kommen.


Ausschreibung
Wer ein Gebäude mit eigenem Holz erstellen möchte, sollte dies schon bei der Projektausschreibung beachten. Die verschiedenen Verfahren für die Ausschreibung bedingen unterschiedliche Vorgehensweisen – abhängig von der Bausumme und der Bauherrschaft (privat/gewerblich oder öffentlich). Private und gewerbliche Bauherren sind bei der Ausschreibung relativ frei. Bei der öffentlichen Beschaffung können bis zu einem bestimmten Schwellenwert Aufträge «freihändig» oder im «Einladungsverfahren» vergeben werden. Die Forderung nach einem Holzbau ist immer möglich. Bei höheren Auftragswerten (Bund: ab 2?Mio. Franken; Kantone ab 500?000 Franken, Stand 2021) erfolgt eine öffentliche Ausschreibung. Der Einsatz von eigenem Holz ist aber grundsätzlich auch hier möglich. Detaillierte Informationen zum Thema sind in der Lignum-Broschüre «Ausschreiben mit Schweizer Holz» zu finden (siehe «Literatur»).


Bereitstellung von eigenem Holz
Bei der Bereitstellung von Rund- und Bauholz wird in der Ausschreibung vorgegeben, dass der Unternehmer das vom Auftraggeber bereitgestellte Holz verwenden muss. Der Auftraggeber kann «Holz aus dem eigenen Wald» oder «Holz aus interner Beschaffung» als Eigenleistung einbringen. Sofern der Auftraggeber das Holz zur Verfügung stellt, entfallen die Auflagen der Ausschreibung für die Materialbeschaffung in dieser Position. «Holz aus der Region» kann im Rahmen der Bagatellklausel beschafft und eingebracht werden. Der Holzbedarf sollte über alle Verarbeitungsstufen hinweg sorgfältig geplant werden, damit alle Beteiligten der Wertschöpfungskette ihren Bedarf korrekt anmelden können.

Unternehmer der ersten Verarbeitungsstufe (Sägerei?/?Hobelwerk?/?Leimwerk) geben neben ihrem Angebot für die Verarbeitung des bereitgestellten Rundholzes auch die Rundholzpreise nach Sortiment und Klasse an. Damit bleibt die Abnahme des eigenen Rundholzes in jedem Fall geregelt.

Unternehmer der zweiten Verarbeitungsstufe (Zimmerei?/?Schreinerei?/?Bauunternehmer) geben neben ihrem Angebot für die Verarbeitung des bereitgestellten Holzes der ersten Verarbeitungsstufe auch Preise für die eingesetzten Schnitt- und Bauholzprodukte, beispielsweise mit dem «Label Schweizer Holz», an. Sie müssen in ihrer Offerte aufführen, wie viele Schnitt- und Bauholzprodukte in welchen Abmessungen und Qualitäten benötigt werden. Damit ist die Erstellung der vorgesehenen Bauteile mit der gewünschten Holzqualität in jedem Fall geregelt.


Termine

Einschlag des Holzes, Transport, Einschnitt im Sägewerk, Trocknung und allenfalls Weiterverarbeitung (Hobeln, Leimen) erfordern eine gewisse Vorlaufzeit. Die Unternehmer müssen angeben, wann das bereitgestellte Rund- oder Bauholz benötigt wird. In der Ausschreibung muss der Auftraggeber die gewünschte Abwicklung beschreiben. Darin muss ersichtlich sein, welches Rundholzsortiment oder welche Bauholzprodukte bereitgestellt werden können. Dabei müssen auch schon Szenarien ausgearbeitet werden für den Fall, dass das Holz quantitativ, qualitativ oder zeitlich nicht passend dem jeweiligen Unternehmer bereitgestellt werden kann.


Verarbeitung
Nach der Beschaffung und Bereitstellung des eigenen Holzes folgt die Bearbeitung, oftmals in mehreren Stufen, wobei sichergestellt werden muss, dass nur das eigene Holz verarbeitet wird. In der Praxis ist dies eine der meistgenannten Herausforderungen beim Einsatz von eigenem Holz. Weltweit laufen verschiedene Forschungsprojekte für technische Lösungen, um die genaue Identifikation eines Holzstückes während des gesamten Verarbeitungsprozesses einfacher zu machen. Bisher geschieht dies normalerweise durch die physische Trennung des verarbeiteten Holzes von anderen Chargen und/oder eine genaue Kennzeichnung der einzelnen Holzstücke.

Literatur:
Lignum Compact (März 2021): «Ausschreiben mit Schweizer Holz» (Art.-Nr. 10060);
Lignum Broschüre Nr. 24 (April 2022): «Bauen mit Holz von hier – Label Schweizer Holz»
(Art.-Nr. 10070). lignum.ch/shop/broschueren/

 



Schulhaus Gyrisberg

Interview mit Nadine Kilcher, Naos Architekten AG


Frau Kilcher, Sie realisieren zurzeit den Neubau des Schulhauses Gyrisberg in Jegenstorf (BE)mit eigenem Holz der Gemeinde – ist es ein erstes Mal?

Ja. Eigentlich haben wir den Wettbewerb mit einem Projekt in Hybridbauweise gewonnen. Der Impuls für einen Holzbau kam aus der Bevölkerung, die sich ein Schulhaus aus eigenem Holz wünschte. Es stellte sich heraus, dass die Gebäudestruktur gut geeignet ist für einen Holzbau. Wir haben unseren Entwurf entsprechend angepasst, ohne einen Nachtrag für eine Projektänderung zu stellen.

Warum?

Anfangs waren wir – aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet – skeptisch gegenüber dem Vorhaben, eigenes Holz zu verwenden. Wir erkennen nun aber den Mehrwert und sind bereit, unseren Teil beizutragen. Für uns sind es wichtige Erfahrungen, die wir machen können. Auch die Gemeinde und die Fachplaner waren gewillt, sich auf den Prozess einzulassen.

Was sind die Herausforderungen?

Es gibt zahlreiche Ungewissheiten. Zum einen gibt es mehr Schnittstellen, zum anderen sind die Abläufe schwieriger zu koordinieren und die Kosten weniger klar. Wer ist verantwortlich bei Mängeln? Greifen wir in den Markt ein, wenn die Sägerei bestimmt wird? Trägt die Gemeinde den administrativen Mehraufwand? Hier wird das Team als Ganzes gefordert.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Die Zuständigkeiten wurden genau definiert. Um die Qualität und die Kosten im Griff zu behalten, ist eine frühzeitige Ausschreibung unabdingbar. So konnten wir für die Ausschreibung verschiedene Varianten der Holzbeschaffung vergleichen.

Welche waren das?

Ausgeschrieben haben wir die Arbeiten in zwei Varianten, um das Kostenrisiko zu minimieren: Die Hauptvariante berücksichtigt Holz aus dem eigenen Wald, das durch die Gemeinde selbst geschlagen wird. Für das Sägewerk gab es eine separate Ausschreibung. Der Holzbauer war angehalten, selbst ein Leimwerk als Subunternehmer vorzuschlagen. Die zweite Variante der Ausschreibung war mit Schweizer Holz und fungierte als «Rückfallebene».

Wie lief die Koordination der verschiedenen Projektbeteiligten?

Schon vor und während des Holzschlags haben wir Koordinationssitzungen mit allen Beteiligten abgehalten – mit der Bauverwaltung der Gemeinde, den Architekten sowie dem Holzbauingenieur, Holzbauer, Förster, Sägewerk und Leimwerk. Vor allem die benötigte Holzmenge und -qualität wurde dabei immer genauer definiert. Zudem ging es immer auch um Kosten und Termine.

Wie lief die Holzbeschaffung im Detail?

Nachdem der Förster den Holzschlag angezeichnet hatte, beauftragte die Gemeinde eine Unternehmung mit der Ernte und sie hat die Preise für die Verrechnung des Holzes definiert – diese lagen unter dem normalen Marktwert.

Es erfolgte ein stetiger Austausch, welche Bäume wie weit eingeschnitten sind, ob die Qualität stimmt und die Termine eingehalten werden können. Der Holzbauingenieur organisierte den Ablauf, erstellte den Zeitplan, koordinierte die Schnittstellen und Qualitätskontrollen und bestimmte die benötigten Festigkeitsklassen pro Bauteil. Daraus wurde die Holzliste erstellt und ständig verfeinert. Rundholz, das nicht genutzt werden konnte, wurde von der Gemeinde an das Sägewerk verkauft. Restmaterial wird dem Schreiner weiterverkauft, der das Eschenholz für die Sockelleisten und Garderoben im Schulhaus Gyrisberg weiterverarbeitet.

Die dicken Stämme (Starkholz) werden zur Produktion von Balken und Brettern in einer lokalen Sägerei verarbeitet und für das Leimwerk vorbereitet. Aus den weniger dicken Stämmen (Schwachholz) wurden Latten gesägt, die anschliessend zu Bauteilen verleimt wurden. Das Energieholz, also die nicht konstruktiv nutzbaren Teile wie Äste oder die Baumkrone, werden lokal als Energieholz verwendet.

Gab es unvorhergesehene Probleme?

Wir mussten flexibel bleiben. So haben wir beispielsweise festgestellt, dass wir nicht genügend Bretter mit 20 Zentimetern Breite erhalten, und sind auf 10 Zentimeter ausgewichen. Es war nicht ganz einfach, genügend Holz in der geforderten Qualität zu bekommen. Deshalb mussten wir Esche auch aus den umliegenden Wäldern beschaffen. Aber durch einen engen Austausch mit den Unternehmern und der Bauherrschaft konnten wir all diese Herausforderungen bewältigen.

Würden Sie wieder mit eigenem Holz bauen?

Ja, der Mehraufwand hat sich aus unserer Sicht gelohnt. Beim nächsten Mal können wir sicher von den gemachten Erfahrungen profitieren. Es bleibt das gute Gefühl, die Herausforderung nicht gescheut zu haben und dabei einen Bau mit grossem Identifikationspotenzial und enormer Strahlkraft zu realisieren. Darauf sind wir auch ein bisschen stolz. 

Schulanlage Gyrisberg, Jegenstorf

Bauherrschaft: Gemeinde Jegenstorf (BE)
Architektur: Naos Architekten AG, Bern
Wettbewerb: 2019
Ausführung: 2022–2024
Holzbau: Kühni AG, Ramsei (BE)
Ausschreibung Holzbau: Juni 2022
Holzschlag: ab Oktober 2022
Holzmenge und -art: Insgesamt über 1300 m3 Fichte, Tanne und Esche (lokal beschafft)


Label Schweizer Holz

Das Label Schweizer Holz ist das verlässliche Zeichen für Holz aus der Schweiz und für die vollumfängliche Wertschöpfung in der Schweiz. Es wurde 2009 von Lignum Holzwirtschaft Schweiz (Dachverband der Holzbranche) ins Leben gerufen. Die Mitwirkenden des Labels umfassen die ganze Produktionskette, vom Wald über die Sägerei und die Holzwerkstoff-Industrie, den Holzhandel, den Holzbau und die Schreinerei bis hin zu Partnern aus Architektur, Ingenieurwesen und Holzenergie.
holz-bois-legno.ch

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