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Stand.punkt
«Die Nachfolgeregelung ist sehr wichtig»
Mit welchen Herausforderungen sind Holzbaubetriebe und Schreinereien aktuell konfrontiert? Wobei unterscheiden sich die Branchen? Wir sprachen mit Thomas Iten, Mitinhaber eines Mischbetriebs sowie Zentralpräsident des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM und Vorstandsmitglied von Lignum Schweiz.
Text Susanne Lieber | Foto Claudia Reinert
Sie führen einen Mischbetrieb mit Zimmerei und Schreinerei. Wo sehen Sie derzeit die grössten Herausforderungen in den jeweiligen Branchen? Wo liegen die Unterschiede?
Was wir zurzeit in beiden Branchen gleichermassen spüren, ist der Fachkräftemangel. Es ist schwierig geworden, qualifizierte Leute zu finden – vom Arbeiter bis zum Kadermitglied. Auch gute Lehrlinge zu bekommen, ist nicht einfach.
Speziell im Holzbau stellen wir fest, dass viele Betriebe – so auch wir bei der Sigrist Rafz Holz?+?Bau AG – in neue Produktionshallen, neue Maschinen und in die Digitalisierung investieren. Die Herausforderung besteht nun darin, dass das Ganze auch finanziell aufgeht und entsprechende Aufträge reinkommen. Denn mit einem modernisierten und optimierten Maschinenpark werden die Leistungsfähigkeit und die Produktivität erhöht. Entsprechend sind auch die Mitarbeitenden stärker gefordert, um die Projekte zu stemmen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Holzbaus?
Sehr optimistisch. Der Holzbau hat mittlerweile eine sehr hohe Akzeptanz bei den Architekten und bei öffentlichen Vergaben. Das kommt unserer Branche sehr zugute. Es kommen auch deshalb mehr Anfragen, weil wir inzwischen immer grössere Bauten ausführen dürfen. Damit können wir den schrumpfenden Markt für Einfamilienhäuser kompensieren. Vor zwanzig und dreissig Jahren konnten wir in diesem Bereich wesentlich mehr machen. Das hat sich inzwischen geändert, weil weniger Bauland zur Verfügung steht. Dafür werden mittlerweile deutlich häufiger mehrgeschossige und öffentliche Holzbauten geplant und gefertigt.
Und wie sehen Sie die Entwicklung in der Schreinerbranche?
Auch die Schreinerbranche ist sehr innovativ unterwegs, und dies in einem konstanten und beständigen Markt. Die Arbeiten sind in allen Bereichen gefragt – im Küchen- und Ladenbau, im Innenausbau, im Parkettbereich usw. Wo ich mir allerdings Sorgen mache, ist die Möbelfertigung. Unsere Grosseltern und Eltern sind früher noch zu einem Schreiner gegangen und haben sich ihre gesamte Aussteuer bestellt, wenn sie geheiratet haben. Die Möbel haben ein Leben lang gehalten. Irgendwann kam die Phase, in der sich die Leute dann im Handel hochwertige Möbel kauften, die aber ebenfalls eine lange Lebensdauer hatten. Heute geht die Entwicklung Richtung «Fast-Design» – grosse Möbelhäuser werden sukzessive von noch grösseren Möbelhäusern aufgekauft. Mittlerweile wird man mit Billigmöbeln aus dem Ausland überschwemmt. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass unsere Schreinereibetriebe eine gute Zukunft haben – vor allem im Bereich Innenausbau und in Nischenbereichen.
Seit 2009 sind Sie im Vorstand des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM). Welche Themen beschäftigen Sie dort zurzeit?
Eines unserer Dauerthemen ist der Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Wir sind gerade dabei, Vorgespräche zu einem überarbeiteten Vertrag zu führen. Er muss mehr Flexibilität bieten – für die Arbeitgebenden wie auch für die Arbeitnehmenden. Es gibt viele Punkte, die wir ändern möchten und von denen ich überzeugt bin, dass sie den Arbeitnehmenden nutzen. Aber die Gewerkschaften, unsere Verhandlungspartner, sträuben sich oft gegen zeitgemässe Lösungen. Den flexiblen Arbeitszeitmodellen, die immer mehr gefragt sind, muss jedoch Rechnung getragen werden. Und hier müssen wir als Verband attraktive Lösungen anbieten.
Ein anderes aktuelles Thema im Verband ist die Reform der Grund- und Weiterbildung. Wir arbeiten intensiv an einer Modernisierung und müssen uns die Frage stellen: Wie sieht die Lehre der Zukunft aus? Ausserdem beschäftigt uns im Verband sehr stark das Thema Nachfolgeregelung. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass ein Betrieb von den Kindern – sofern es überhaupt welche gibt – übernommen wird. Gegebenenfalls muss eine externe Lösung gesucht werden. Zum Beispiel, indem Kadermitglieder den Betrieb später in Form eines Management-Buy-out übernehmen. Das Schlimmste ist, wenn Betriebe geschlossen und Mitarbeitende entlassen werden müssen, sobald die Inhaber in Rente gehen.
Inwiefern kann der Verband (VSSM) Schreinereien bei der Nachfolgeregelung helfen?
Wir haben ein Team, das die Betriebe von A bis Z unterstützt und berät – das fängt bei der Unternehmensbewertung an und geht bis zur Rekrutierung eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin. Solch ein Prozess sollte aber mindestens sieben bis acht Jahre vor einer Pensionierung eingeläutet werden, damit bis dahin alles optimal geregelt ist.
Thomas Iten
Der diplomierte Schreinermeister mit betriebswirtschaftlicher Weiterbildung ist seit 1998 Geschäftsführer und seit 2015 Mitinhaber der Sigrist Rafz Holz + Bau AG, einem Mischbetrieb mit Zimmerei und Schreinerei (90 Mitarbeitende). Zudem ist er seit 2009 Mitglied und seit 2016 Präsident des Zentralvorstands des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM).
sigrist-rafz.ch, vssm.ch