2/24 Gut genutzt
BAU.WERK
Doppeltes Glück
Auf der denkmalgeschützten Schulanlage Hofacker in Schlieren (ZH) entstand ein neuer Doppelhort: ein Holzbau in rund.
Text Susanne Lieber | Fotos Peter Tillessen | Pläne Pascal Flammer Architekten; Pirmin Jung Schweiz AG
«Am Anfang hatte ich eine Pizza im Kopf, was die Konstruktion angeht», erklärt Architekt Pascal Flammer bezüglich des neuen Doppelhorts in Schlieren. Dass der Entwurf rund werden sollte, stand für ihn schnell fest. Eingebettet in die denkmalgeschützte Schulanlage Hofacker in Schlieren – 1957 vom Zürcher Architekten Hans Otto Hubacher (1916–2009) geplant – sollte sich der Hort bezüglich Form und Material klar abheben von den eckigen Bestandsbauten in Massivbauweise. Kurzum: Ein runder Bau aus Holz war gefragt, um endlich die dringend benötigten Hortplätze in Schlieren zu schaffen. Denn Schlieren wächst, und das rasant. In den letzten Jahren wurde viel gebaut. Allerdings ist dabei versäumt worden, das Angebot an Betreuungsplätzen rechtzeitig anzupassen. 2022 musste es dann schnell gehen. Die Stadt Schlieren kam auf Pascal Flammer zu, um ihn mit der Konzeption eines Erweiterungsbaus zu beauftragen. Man kannte bereits einige seiner Arbeiten, allen voran das Stöckli in Balsthal, mit dem er 2013 grosse Aufmerksamkeit erlangte.
Konstruktive Anpassung
Seinem anfänglichen Gedanken an eine Pizza lag Pascal Flammer folgende Überlegung zugrunde: «Als Architekt denkt man bei einem runden Gebäude zunächst an eine Grundfläche, die in Pizzastücke aufgeteilt ist. Ein Holzbauer hingegen plant anders – er teilt die Pizza nicht in radiale Stücke, sondern schneidet sie in Streifen.» Das sei bei der Fertigung der Holzbauteile auch bedeutend schlauer, räumt der Architekt ein. Es ist einfacher und effizienter, eine runde (Decken-)Fläche in parallel verlaufende Elemente anstatt in Segmente mit spitz zulaufenden Ecken zu unterteilen. Hergestellt wurden die vorgefertigten Holzbauteile hierbei von der Hecht Holzbau AG, die nach entsprechender Ausschreibung zum Projekt hinzugezogen worden war. Der Betrieb aus Sursee (LU) ist auf Systembau mit Schweizer Holz spezialisiert. So stammt auch bei diesem Projekt das verwendete Baumaterial von heimischen Fichten und Tannen.
Innerhalb von etwa eineinhalb Wochen wurden die vorgefertigten Elemente aufgerichtet – bei laufendendem Schulbetrieb. «Das war eine besondere Herausforderung», weiss Roland Niederberger, Montageleiter bei der Hecht Holzbau AG, zu berichten. «Die Anlieferung der Bauteile durfte nur zwischen den Pausen erfolgen, wenn also die Kinder Unterricht hatten und nicht auf dem Schulgelände unterwegs waren.» Für den Architekten hingegen lag die Herausforderung im Entwurf selbst. «Mir war es wichtig, einen offenen Bau zu konzipieren, der sich harmonisch in das denkmalgeschützte Areal mit seiner geschwungenen Wegführung einfügt», resümiert Flammer. «Das Gebäude sollte leicht und transparent wirken und gewissermassen Teil des Geländes werden.» Die grossen Fensterflächen und das auskragende Vordach im Erdgeschoss, das quasi in den Aussenraum greift, bilden hierbei die entscheidenden Komponenten für den Brückenschlag zwischen innen und aussen.
Hohlkastendecke und 22 Stützen
Konzipiert ist der Hort, bei dem es sich streng genommen um keinen runden, sondern um einen 16-eckigen Entwurf handelt, als zweigeschossige Holzkonstruktion mit begehbarem Dach. Die Statik des vollverglasten Baus basiert auf 14 schlanken Stützen, die sich entlang der Glasfassade verteilen, sowie auf acht weiteren Stützen, die in der Gebäudediagonalen Zwischenauflager für die Deckenträger bilden. Während eine Hälfte des Gebäudes mit Wandelementen ausgesteift wurde (hier befinden sich unter anderem die Nasszellen und Garderoben), ist die andere Hälfte als offene Fläche konzipiert, die frei bespielt werden kann. Die Hohlkastendecke, die in parallele Streifenabschnitte unterteilt ist, überspannt in diesem Bereich acht Meter. Die Stösse der Deckenelemente liegen immer mittig über einer Stütze. Oder anders formuliert: Jede Stütze trägt jeweils zwei Deckenelemente.
Hinsichtlich des Holztragwerks ist zudem erwähnenswert, dass sämtliche Deckenelemente, Stützen und Innenwände rückbaufähig und wiederverwendbar sind – sollte dafür eines Tages Bedarf bestehen. Zur einfachen Demontage trägt hier nicht zuletzt die strikte Trennung zwischen dem Holztragwerk und den technischen Installationen bei.
Insgesamt präsentiert sich der Holzbau als feingliedriger, leicht wirkender Entwurf, wobei hier alle Vorzüge des Baumaterials zum Tragen kommen: Holz als heimischer Rohstoff ist in besonderem Masse nachhaltig. Es ermöglicht einen hohen Vorfertigungsgrad der Bauteile und verkürzt damit die Bauzeit. Zudem sind die einzelnen Holzelemente demontierbar und können später wiederverwendet werden, wodurch sich ihr Lebenszyklus verlängert. Und nicht zuletzt spielt das Material hier einen seiner grössten Trümpfe aus: die optische und haptische Natürlichkeit, die für Behaglichkeit und eine hohe Aufenthaltsqualität in den Räumen sorgt.
hecht-holzbau.ch
Der Bau wurde zum Prix Lignum 2024 eingereicht. Die Jurierung ist im Mai und Juni.
Pascal Flammer Architekten AG
Der gebürtige Freiburger Architekt Pascal Flammer lebt und arbeitet in Zürich. Sein Studium absolvierte er an der ETH Zürich, an der TU Delft (NL) sowie an der EPF Lausanne. Nach sieben Jahren Tätigkeit bei Valerio Olgiati gründete Pascal Flammer 2005 ein eigenes Architekturbüro. Er hat auch an verschiedenen Universitäten unterrichtet: ETH in Zürich, Accademia di Architettura in Mendrisio (CH), Sandberg Instituut in Amsterdam, Graduate School of Design der Harvard University (USA) und Princeton University School of Architecture (USA). Pascal Flammer hat bereits zahlreiche Preise gewonnen und
beschäftigt aktuell fünf Mitarbeitende in seinem Büro. pascalflammer.com
Das Projekt – die Fakten
Projekt: Neubau Doppelhort (Schulhaus Hofacker) in Schlieren (ZH)
Fertigstellung: 2022
Bauherrschaft: Stadt Schlieren
Architektur: Pascal Flammer Architekten AG, Zürich
Baumanagement: ArchiNet AG, Zürich
Holzbauingenieur/Bauphysik: Pirmin Jung Schweiz AG, Sursee (LU)
Holzbau: Hecht Holzbau AG, Sursee
Konstruktion/Tragwerk: Vollholzkonstruktion mit Hohlkastendecken;
Lastabtragung über Stützen
Holz (Tragwerk, Fassade, Innenausbau): Schweizer Fichte und Tanne
Holz (Innenverkleidung): Dreischichtplatten (Schuler-Blockholz, 19 mm)
Grundfläche: 364 m2
Gebäudevolumen (SIA 416): 3003 m3
Besonderheiten: Zusammenarbeit mit kantonaler Denkmalpflege
Gesamtkosten (inklusive Möblierung): ca. CHF 2,8 Mio.