2/24 Gut genutzt
WELT.WEIT
Gipfelstürmer
Hoch oben in den Dolomiten, in einer Höhe von 2734 Metern über dem Meer, sitzt die neue Schutzhütte Santnerpass dicht am felsigen Abgrund. Getarnt mit einer schützenden Haut aus Metall, bietet der Holzbau ein atemberaubendes Naturpanorama – zumindest all jenen, die sich so hoch hinaufwagen.
Text Susanne Lieber | Fotos Lukas Schaller | Pläne Senoner Tammerle Architekten
Unterhalb der imposanten Rosengartenspitze (2981 m ü. M) – dem zweithöchsten Gipfel der Rosengartengruppe, die zum UNESCO-Weltnaturerbe Dolomiten gehört – steht seit letztem Sommer ein Holzbau, der sich als solcher zunächst nicht zu erkennen gibt. Eine verzinkte Stahlblechverkleidung schützt die hölzerne Konstruktion, die aus dreieckigen Fachwerksrahmen (Fichte) und aussteifenden Holzplattenelementen besteht. Gleichzeitig macht die Fassadenhaut aus dem Bau ein Chamäleon, das abwechselnd die Farben seiner Umgebung annimmt: das Grau der Felsen, das Blau des Himmels oder das Rot des sagenumwobenen Alpenglühens, für das das Bergmassiv Rosengarten so bekannt ist.
Als sogenanntes Nurdachhaus konzipiert, bildet die Hütte den Ersatzneubau für eine 1956 errichtete Schutzhütte, die bei Weitem weniger Wanderer und Bergsteiger aufnehmen konnte. Jetzt sind es 36 Übernachtungsgäste, die hier ihr Lager aufschlagen. Die Zwei- und Mehrbettzimmer sind in den oberen Geschossen untergebracht. Dort ist das Dach gespickt mit Gauben, um selbst in Schlafposition die Berge im Blick behalten zu können. Im Erdgeschoss befindet sich ein Restaurant mit vorgelagerter Terrasse. Hier erwartet die Gäste nach dem mühsamen Aufstieg eine Stärkung – und ein überwältigendes Bergpanorama.
Das Argumentarium für einen Holzbau in solch einer hochalpinen Lage liegt auf der Hand: Der Vorfertigungsgrad ist hoch, das (Transport-)Gewicht gering und die Dämmeigenschaften sind gut. Nicht zuletzt punktet ein Bau aus Holz mit Wohlfühlambiente. Die Genehmigung für den Holzbau gestaltete sich dennoch schwierig – aus Gründen des Brandschutzes, der südlich des Brenners strengere Auflagen erfüllen muss als nördlich davon. Deshalb wurde ein Nachweis gefordert, dass der Holzbau auch im Brandfall den statischen Anforderungen genügt. Zusätzlich musste eine aussenliegenden Fluchttreppe vorgewiesen werden.
Wer sich selbst vor Ort einen Eindruck von der Santnerpass-Hütte machen will, muss sich ins Zeug legen: Sie ist nur über eine dreistündige Wanderung oder einen Klettersteig zu erreichen. Die Belohnung: ein Bergpanorama, das seinesgleichen sucht.
santnerpass.com
Das Projekt – die Fakten
Projekt: Ersatzneubau Schutzhütte Santnerpass, Dolomiten in Südtirol (IT)
Kapazität: 36 Betten
Fertigstellung: Juni 2023
Architektur: Senoner Tammerle Architekten, Kastelruth (IT)
Holzkonstruktion: dreieckige Fachwerkrahmen mit massiven Holzplattenelementen
Dach: KLH-Platten (120 mm), Holzfaserdämmung (60 mm), verzinktes Stahlblech mit Stehfalz
Bruttogeschossfläche: 890 m2
Gebäudevolumen: 2710 m3
Senoner Tammerle Architekten
Das Südtiroler Architekturbüro mit Sitz in Kastelruth wurde von Paul Senoner (*1972) und Lukas Tammerle (*1980) gegründet. Beide haben in Innsbruck studiert. Ihr Portfolio umfasst Raumplanungen (Dorfentwicklung, Urbanistik), Architektur- und Innenarchitekturprojekte, aber auch Möbelentwürfe. Darüber hinaus sind die Unternehmensgründer als Landessachverständige in Gemeindebaukommissionen tätig. senonertammerle.it