4/23 Mehr davon!
BAU.WERK
Mehr Entwurfsmöglichkeiten im Holzbau durch innovative Technologie
Mit der TS3-Technologie haben sich völlig neue Möglichkeiten beim Entwerfen von Holzbauten aufgetan. Wo früher aus bautechnischen Gründen nur Beton oder Stahl eingesetzt werden konnte, kommt jetzt auch Holz zum Tragen.
Text SLi; PD | Fotos Timber Structures 3.0 AG
Seit wenigen Jahren ist möglich, was vorher konstruktiv undenkbar war: Brettsperrholzplatten können stirnseitig mit einem Gussharz biegesteif verbunden werden. Und das in solchen Dimensionen, dass die Vollholzplatten komplette Geschossdecken bilden, die dabei in zwei Richtungen statisch tragend sind. Es braucht hierbei keine linearen Auflager, also weder Unterzüge noch tragende Wände, sondern lediglich Stützen. Und diese können frei – je nach Grundrissentwurf – positioniert werden und aus verschiedenen Materialien (z.?B. Beton oder Stahl) bestehen. So sind grosszügige Raumkonzepte ohne störende Elemente möglich, was einerseits der architektonischen Gestaltungsfreiheit und andererseits einer flexiblen Nutzung zugutekommt. Nichttragende Wände können jederzeit problemlos eingezogen oder angepasst werden. Das neue Plattenmaterial bietet zudem einen weiteren Vorteil in Sachen Gestaltung: Daraus können auch komplexe und freie Formen gebaut werden (z.?B. die Skulptur «Semiramis» in Zug, Bild rechts).
Fliessender Übergang von Innen und Aussen
Mit der neuartigen Technologie ist es nun möglich, grosse Auskragungen (z.?B. Balkone) in Holz auch ohne zusätzliche tragende Elemente zu realisieren. Mit den grossflächigen Brettsperrholzplatten kann gleichzeitig ohne Unterbruch vom warmen Innenbereich in den kalten Aussenbereich gebaut werden. Im Vergleich: Bei Stahlbetondecken braucht es für den Übergang zwischen Kalt- und Warmseite teure und aufwendige Kragplattenanschlüsse.
Gleiche Tragstruktur wie bei Beton, einfachere Planung
TS3 bietet die gleiche Tragstruktur wie Beton. Dadurch kann analog zum Massivbau geplant und können gewohnte Bauprozesse beibehalten werden. Gleichzeitig wird aber von den Vorteilen des Holzbaus profitiert. Eine Platte ist also wie eine Stahlbeton-Flachdecke einsetzbar, da die Geschossflächen mehrachsig tragen. Im Vergleich zur Planung mit Stahlbeton ist die Planung mit den Holzdecken aber deutlich einfacher, denn es müssen weder Schalungs- noch Bewehrungspläne gezeichnet werden, sondern nur eine grosse, homogene Holzplatte. Die Homogenität der Bauteile reduziert dabei die Anzahl Bauteilschichten und somit auch die Komplexität in der Planung und Ausführung.
Die maximale Grösse einzelner Platten beträgt – je nach Hersteller – bis zu 3,50 mal 16 Meter. Vor Ort können diese dann miteinander zu grossen Flächen zusammengefügt werden. Die Gussharzfugen an den Stirnseiten sind hierbei vier Millimeter breit. Für die Fugen werden die Platten bei einem zweiten Formatierungsschritt um jene vier Millimeter bis auf die unterste Lage zurückgeschnitten (verbleibende Höhe mindestens 20 mm). Dadurch ist die Verbindung von unten (Deckenansicht) kaum sichtbar.
Für die Geschossdecken stehen verschiedene Holzoberflächen zur Auswahl. Die Brettsperrholzplatten können in Sichtqualität auf die Baustelle geliefert werden. Eine Nachbearbeitung ist dann nicht mehr nötig. Es ist aber auch möglich, das Holz farbig zu lasieren oder zu streichen.
System- und Bauteiltrennung
Ein wichtiger Vorteil beim Bauen mit TS3: Die Installationen werden unter- oder oberhalb der Brettsperrholzdecke geführt. So sind die Systeme mit unterschiedlichen Lebensdauern konsequent voneinander getrennt, was dem Nachhaltigkeitsgedanken Rechnung trägt. Elektroinstallationen, Wasser- und Heizleitungen sind im Bodenaufbau verlegt. Für die Deckenbeleuchtung werden Stromkabel oberhalb der Sichtholzdecke geführt und finden an gewünschter Stelle in der Wohnung ihren Ausgang. Die klare Bauteiltrennung ermöglicht später eine Wiederverwendung der Baumaterialien.
Für Architekten und Ingenieure werden Onlinekurse zum Umgang mit der innovativen Technologie (Berechnung, Statik, Anwendungstechnik) angeboten. Der Basiskurs ist kostenlos und richtet sich an Planerinnen und Planer, aber auch an alle anderen Interessierte. ts3.biz/de/e-learning/
Entwicklung der Technologie
Die Initialzündung für die Entwicklung der TS3-Technologie war bereits 2009. Damals stiess die Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG gleich bei mehreren Wettbewerbsprojekten auf folgendes Problem:
Die Bauherrschaften waren zwar an Holzbauten interessiert, wollten aber ein grosses Stützenrastermass und obendrein flexible Nutzungsmöglichkeiten der Gebäude. Vorgaben, die im Holzbau so nicht ohne
Kompromisse umsetzbar waren. Stefan Zöllig, Mitinhaber der Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, machte sich daraufhin zur Aufgabe, für solche Projekte künftig auch eine adäquate Lösung in Holz anbieten zu können. Sein hehres Ziel: ein Stützenraster von 8 auf 8 Metern. In Zusammenarbeit mit der ETH Zürich sowie der Berner Fachhochschule wurde 2010 damit begonnen, die Technologie zu entwickeln. 2014 entstand
damit das erste Bauprojekt, im selben Jahr wurde die Timber Structures 3.0 AG gegründet, die das innovative Baumaterial fertigt und vertreibt. ts3.biz