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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

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FOKUS.THEMA

Natur, Genuss und Schindelkleid

Das Biosphärenreservat Entlebuch ist bekannt für seine einzigartige Landschaft. Sanfter Tourismus und (Bau-)Projekte, die im Einklang mit der Natur stehen, haben hier einen besonders hohen Stellenwert. Der neue Hotelanbau des Berggasthauses Salwideli bringt beides zusammen.

Text Susanne Lieber | Fotos Marco Leu, Philippe Hubler, Samuel Büttler | Pläne ATT AG & Marc Syfrig Architekt

Unberührte Flach- und Hochmoore, idyllische Alpweiden und die eindrücklichen Karstformationen der Schrattenfluh (2092 m ü. M.) machen das Entle­buch zu einer einmaligen Naturlandschaft. Die Region wurde 2001 in die Liste der UNESCO-­Biosphärenreservate aufgenommen und hat somit Modellcharakter für eine nachhaltige Entwicklung – in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht. Das Gasthaus und Hotel Bergwelten Salwideli steht exemplarisch für diesen ganzheitlichen Ansatz, zu dem auch die lokale Bevölkerung einen wichtigen Beitrag leistet.

Auf 1353 Metern oberhalb von Sörenberg gelegen, ist das Bergwelten Salwideli für Übernachtungsgäste ein guter Ausgangspunkt zum Wandern, Mountainbiken und Langlaufen. Wer nur einen Einkehrschwung machen will, ist im Salwideli ebenfalls goldrichtig; regionale Gerichte sorgen auch für das leibliche Wohl. Vor dem Umbau umfasste das Gebäu­de – ursprünglich 1939 als Ferienheim für Schülerinnen und Schüler erbaut – neben dem Berggasthaus zwölf einfache Zimmer zum Übernachten sowie ein angegliedertes Gruppenhaus mit knapp 60 Schlafplätzen. Im Zuge des Umbaus wurden diese nun aufgefrischt. Zudem ergaben sich beim Bestandsgebäude gewisse Umstrukturierungsmassnahmen: Der Haupteingang wurde in den neuen Anbau verlegt, die Restaurantterrasse verbreitert und die Aussenanlage mit einer Grünfläche ergänzt. Den grössten Eingriff stellt der fünfgeschossige Neubau mit Schindelfassade dar, für den ein alter zweigeschossiger Anbau weichen musste. Im unteren der beiden Sockel­geschosse befindet sich hier nun eine ein­ladende Hotellobby mit Empfang sowie ein Bereich mit Infos über die Biosphärenlandschaft Entlebuch. Sowohl der Messerli Stiftung (Bauherrschaft) als auch der Gemeinde Sörenberg war es ein wichtiges Anliegen, den Gästen des Bergwelten Salwideli – es steht in einer Sonderbau­zone – die Moor- und Karstlandschaft der Region näherzubringen. In Form von Infotafeln und einem eigens angefertigten Holzrelief wurde diesem Wunsch nachgekommen.

Im Geschoss darüber, also im oberen der beiden Sockelgeschosse, liegt der neue grosszügige Restaurantbereich. Von hier aus kann man auch auf den Terrassenbereich blicken, der verbreitert und mit einem Holzrost und einer Sitzbank aufgewertet wurde. Die drei Obergeschosse, die sich durch eine aufwendige Schindelfassade auszeichnen, sind Hotelgästen vorbehalten. Insgesamt 14 Zimmer sind hier entstanden, darunter eine Suite im dritten Obergeschoss, die etwas grösser ausfällt. Stilvoll und heimelig sind jedoch alle gleichermassen gestaltet – was der hohen Entwurfsqualität des Architektenteams (Arge: ATT AG, Marc Syfrig Architekt, Jung Meyerhans AG) geschuldet ist. Das Weiss­tannenholz, das Geborgenheit ausstrahlt und eine Brücke zur Natur schlägt, trägt wesentlich dazu bei.


Wo Beton auf Holz trifft

Der neue Anbau bildet ein kompaktes Volumen, dessen zwei Sockelgeschosse mit Eingangsebene sowie Restaurantebene etwas zurückspringen. Dass diese in Massivbauweise erstellt wurden, ist dabei nicht sofort zu erkennen. Die Betonfassade wurde mit einer dunklen und sich überkreuzenden Holzlattung kaschiert. Darüber hinaus tarnt die rautenförmige Gitterstruktur auch die Fenster im Empfangsbereich, die deshalb von aussen kaum ins Auge fallen.

Im Gegensatz zu den betonierten Aussenwänden sind die Decken in den beiden Sockelgeschossen in Holz ausgeführt. «Das war eine der Besonderheiten an diesem Bauprojekt», erklärt Projektleiter Urs Schärli von der Wicki Holzbau AG. Das Marbacher Unternehmen war federführend bei den Holzbauarbeiten, wobei im Rahmen einer Arge auch andere Firmen aus der Region beteiligt waren: die Dahinden Bau GmbH aus Schüpfheim (LU), die Andreas Bieri Zimmerei GmbH aus Flühli (LU), Bieri Beat Holzbau aus Flühli sowie die Huwiler Mägu GmbH aus Entlebuch (LU) – allesamt Betriebe mit maximal 40 Kilometern Entfernung zur Baustelle. «Uns war es sehr wichtig, dass das Projekt im Entlebuch bleibt», so Urs Schärli.


Gemütlichkeit hinter Schindeln

Bei den drei Obergeschossen handelt es sich um ein Holztragwerk. In diesem Bereich verjüngt sich der Baukörper nach oben hin und wird mit einem sanft geneigten Pultdach abgeschlossen. Das Gebäude wurde in Holzelementbauweise (Fichte/Tanne) erstellt, wobei die Grundkonstruktion – bestehend aus Brettschichtholz und systemverleimtem Holz – auf vier Eschenstützen ruht. Die spezielle Geometrie des Baus, dessen verschindelte Fassadenseiten sich in der Vertikalen unterschiedlich stark neigen, war eine Herausforderung bei der Errichtung, sowohl für die Wicki Holzbau AG als auch für die Wenger Fenster AG. Die Fensterzargen sind nämlich unterschiedlich tief. Der Fenstereinbau? Hier wahrlich keine Routinearbeit.

Das auffälligste Merkmal der drei oberen Holzgeschosse ist die Fassadenverkleidung, die aus insgesamt 18250 rautenförmigen Brettschindeln besteht, deren Unterseiten jeweils gefast sind. Die Stärke der Schindeln liegt hier bei 21 Millimetern, was den gesetz­lichen Brandschutzanforderungen geschuldet ist. Sämtliche Holztafeln (alle einzeln von Hand angebracht!) wurden zuvor thermobehandelt, also mit Wasserdampf erhitzt, um sie widerstandsfähiger zu machen. Eine Vorgabe der Architekten, die sich eine langlebige Holz­oberfläche wünschten. Die Suche nach thermobehandelten Schindeln gestaltete sich in der Schweiz allerdings schwierig. Es gab kein entsprechendes Angebot. Deshalb auf Schindeln aus Norwegen oder Schweden zurückzugreifen, kam für Wicki Holzbau aber nicht infrage. «Was die können, können wir auch!», so der beherzte Kommentar von Projektleiter Urs Schärli. Um die Wertschöpfungskette im Entlebuch zu behalten, wurden die gewünschten Schindeln kurzerhand in Zusammenarbeit mit einer lokalen Sägerei und einem lokalen Thermowerk gefertigt.


Holz aus der Region

Das Fichtenholz selbst stammt natürlich auch aus der unmittelbaren Umgebung – wie übrigens der Grossteil des Holzes, das beim Bauprojekt verwendet wurde. Knapp 70 Prozent davon, also etwa 150 Kubikmeter, stammen aus Wäldern in Sörenberg (Änzigraben) und Marbach (Chadhusgraben) sowie aus einem Gebiet zwischen dem Entlebuch und dem Emmental (Harzersboden). Für die vorbildliche und nachhaltige Nutzung heimischen Rohstoffs wurde das Bauprojekt mit dem Label Schweizer Holz ausgezeichnet.
wicki-holzbau.ch, bergwelten-salwideli.ch


 

Architektur

ATT AG, Tanja Temel: Das Architekturbüro wurde 2017 von Tanja Temel (*1973 in Andermatt), die an der ETH Zürich studierte, gegründet. Vor ihrer Selbstständigkeit war sie Partnerin und Geschäftsleitungsmitglied der Scheitlin Syfrig Architekten AG in Luzern. Neben der Konzeption und Umsetzung von Bauprojekten zählt zu Tanja Temels Tätigkeitsfeld auch die Arbeit als Wettbewerbsjurorin. tanjatemel.ch

Marc Syfrig Architekt: Fast 40 Jahre lang führte Marc Syfrig zusammen mit Andi Scheitlin das Büro Scheitlin Syfrig Architekten. Im Jahr 2017 gründete der Architekt ein kleines neues Büro, bei dem der Entwurf sowie die strategische Entwicklung von Projekten im Mittelpunkt stehen. Ausgeführt werden die Projekte teilweise in Kooperation mit Partnerbüros. marcsyfrig.ch


Das Projekt – die Fakten

Projekt: Anbau Hotel/Restaurant Salwideli, Sörenberg (LU)
Fertigstellung: Dezember 2023
Bauherrschaft: Messerli Stiftung, Sörenberg
Architektur (Arge): ATT AG, Luzern; Marc Syfrig Architekt, Luzern; Jung Meyerhans AG, Luzern
Holzbauingenieur/Brandschutz: Pirmin Jung AG, Sursee (LU)
Holzbau (Arge Holzbau Salwideli): Wicki Holzbau AG (Projektleitung: Urs Schärli), Marbach (LU); Dahinden Bau GmbH, Schüpfheim (LU); Andreas Bieri Zimmerei GmbH, Flühli (LU); Bieri Beat Holzbau, Flühli; Huwiler Mägu GmbH, Entlebuch (LU)
Konstruktion/Tragwerk: Holzelementbauweise (Sockelgeschoss in Massivbauweise mit Holzverkleidung) 
Holz: Fichte/Tanne, Esche, thermobehandelte Brettschindeln aus Fichte
Schreinerarbeiten: Vogel Design AG, Russwil (LU); Frank Türen AG, Buochs (NW); Renggli Handwerk & Design AG, Sörenberg; 
Gastruum GmbH, Cham (ZG)
Fenster: Wenger Fenster AG, Wimmis (BE)
Gebäudefläche (Anbau): ca. 1000 m2
Gebäudevolumen (Anbau): ca. 3000 m3
Besonderheiten: Label Schweizer Holz; Holz stammt aus benachbarten Wäldern (Chadhusgraben, Änzigraben und Harzersboden)

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