2/24 Gut genutzt
BAU.WERK
Obendrauf statt nebendran
Eine Sporthalle, bei der Holz-Beton-Verbunddecken zum Einsatz kamen, gab es in der Schweiz bislang noch nicht. Das doppelgeschossige Gebäude in Frauenfeld – ausgezeichnet mit dem Label Schweizer Holz – ist diesbezüglich also ein Novum.
Text Susanne Lieber | Fotos Roland Bernath | Pläne Kit Architects
«Aerobic ist die grösste Herausforderung», erklärt Andreas Schelling von Kit Architects. «Wenn mehrere Menschen im selben Rhythmus springen, wird der Boden einer Sporthalle durch Schwingungen angeregt.» Mit anderen Worten: Die schwingungsinduzierte Einwirkung auf das Tragwerk ist immens hoch. Um einer solchen Beanspruchung standzuhalten, sind entsprechende statische Untersuchungen erforderlich. Eigentlich Routinearbeit für Ingenieure. Eigentlich. Im Falle der Sporthallen des BZT (Bildungszentrum für Technik) in Frauenfeld ist es etwas anders, da sich der Entwurf von anderen gestapelten Sporthallen, die meistens in Stahlbeton ausgeführt sind, unterscheidet: Hier kam erstmals eine Holz-Beton-Verbunddecke zum Einsatz – keine alltägliche Aufgabe für die Holzbauingenieure der B3 Kolb AG.
Deutlich einfacher wäre es gewesen, die beiden Turnhallen nicht übereinander, sondern einfach nebeneinander zu setzen. Doch Kit Architects hat sich im Wettbewerb im Sinne der Nachhaltigkeit für eine Stapelung der beiden Einfachsporthallen entschieden. Grund: Das Gebäude sollte – zugunsten eines ressourcenschonenden Umgangs mit den Landreserven (der Bau einer dritten Sporthalle ist bereits angedacht) – möglichst kompakt gebaut sein.
Käferholz – wahrlich keine Ausschussware
Aus dem offenen Wettbewerb, der vom Kanton Thurgau ausgelobt wurde, ging der Entwurf des Zürcher Büros Kit Architects als Siegerprojekt hervor. Im letzten Jahr wurden die Holzarbeiten von der Egli Zimmerei AG in Oberhelfenschwil (SG) umgesetzt. Mit der Auflage: Es musste regionales Fichtenholz – genauer gesagt Käferholz – aus dem Staatswald verwendet werden. Dadurch sollten Transportwege reduziert und die Wirtschaft vor Ort gestärkt werden. Dabei weist Holz, das dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen ist, die gleiche Stabilität auf wie «normales» Holz. «Käferholz unterscheidet sich lediglich optisch von nicht befallenem Holz, da bläuliche Verfärbungen auftreten können», erklärt Andreas Schelling dazu. Um die Planung und Fertigung des Gebäudes möglichst effizient und kostengünstig zu gestalten, basiert der Entwurf auf einem quadratischen Raster. Dabei ist das Gebäude so angelegt, dass sich die untere Turnhalle ins Erdreich gräbt. Für eine natürliche Belichtung sorgt ein Fensterband, das direkt in die Verglasung des Erdgeschosses übergeht. Von dort aus werden beide Sporthallen, die genau übereinander liegen und mit den Nebenräumen den gleichen Grundriss bilden, erschlossen. Direkt an die Hallen angegliedert ist jeweils ein grosser Raum für die Sportgeräte, dahinter befinden sich Garderobenräume für die Auszubildenden. Das Treppenhaus im Norden führt jeweils zu den Räumlichkeiten des Lehrpersonals.
Sollte eines Tages der Wunsch bestehen, das Sporthallengebäude abzubrechen und die Holzbauteile anderweitig wiederzuverwenden, wäre das aufgrund der einfachen Fügung von Primär- und Sekundärstruktur durchaus möglich – was den Bau auch in diesem Punkt zu einem Vorzeigeprojekt macht.
eglizimmerei.ch, b-3.ch
Kit Architects
Das Zürcher Büro wurde 2010 von Roman Loretan, Andreas Schelling und Gianet Traxler gegründet. Zusammen studierten sie von 1999 bis 2005 Architektur an der ETH Zürich. Das aktuell neunköpfige Büro beschäftigt sich mit unterschiedlichen Bauaufgaben, die von der Planung privater Wohnhäuser bis hin zu öffentlichen Gesundheitszentren reichen. Dabei konnte Kit Architects auch mehrere Wettbewerbe für sich entscheiden – unter anderem auch jenen für die Sporthalle in Frauenfeld. kitarchitects.com
Das Projekt – die Fakten
Projekt: Doppelgeschossige Sporthalle BZT (Bildungszentrum für Technik), Frauenfeld
Fertigstellung: 2024
Bauherrschaft: Staat Thurgau, Kantonales Hochbauamt Thurgau
Architektur: Kit Architects, Zürich (Projektleiter: Stefan Hare)
Holzbauingenieur/Brandschutz: B3 Kolb AG, Romanshorn (TG)
Holzbau: Egli Zimmerei AG, Oberhelfenschwil (SG)
Schreinerarbeiten: Peter Kunz Schreinerei AG, Frauenfeld
Konstruktion/Tragwerk: Holz-Skelett und -Rahmenbau mit Rippen- und Holz-Verbunddecken
Holz: Fichte (regionales Käferholz aus dem Staatswald)
Holzmenge: 603 m3
Geschossfläche: 2468 m2
Gebäudevolumen: 14 615 m3
Besonderheiten: ausgezeichnet mit dem Label Schweizer Holz
Gesamtkosten (BKP 1–9): CHF 13,65 Mio.