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Schulbank-Drücken

Das dreigeschossige Martin-Haffter-Schulhaus in Weinfelden (TG) macht was her. Kein Wunder, schliesslich steckt geballte Holzkompetenz darin. Und darunter? Ein Vermächtnis aus Beton.

Text Susanne Lieber | Fotos Ladina Bischof | Pläne Isler Gysel Architekten GmbH

 

Wer hätte sich als Schülerin oder Schüler nicht auch solch ein stattliches Gebäude wie das neue Martin-Haffter-Schulhaus gewünscht? Vor allem jene dürften rückblickend ein bisschen neidisch sein, die die Schulbank noch im Vorgängerbau drücken mussten. Denn das alte Primarschulhaus, das vor zwei Jahren dem Ersatzneubau weichen musste, stammte aus den 1970er Jahren – und war alles andere als ein Vorzeigeobjekt: ein von vornherein mit Mängeln behafteter Bau, der nach knapp fünfzig Jahren endgültig untragbar wurde.

Da bis zur Fertigstellung des Ersatzneubaus der Schulbetrieb noch im alten Gebäude aufrechterhalten werden musste, befindet sich der Holzbau nun etwas südlicher auf dem Schulgelände. Was gleich mehrere Vorteile mit sich bringt: Zum einen wurde durch die Neupositionierung der Aussenraum optimiert und ein zentraler Pausenplatz zwischen Schule und benachbartem Kindergarten geschaffen. Zum anderen konnte an jener Stelle das bereits bestehende Fundament eines unterirdischen Notspitals – es sollte erhalten bleiben – genutzt werden. So wurde gleichzeitig eine beträchtliche Menge an Beton für ein neues Fundament eingespart und der CO2-Anteil am Bau wesentlich gesenkt.

Das Rastermass des bestehenden Fundaments von 5 mal 7,5 Metern liess sich optimal auf die Grössenstruktur von Klassenzimmern und Gruppenräumen übertragen. Statisch war es dabei unproblematisch, das alte Fundament zu nutzen – einmal mehr kann hier nämlich ein Holzbau damit punkten, dass er im Vergleich zu einem Massivbau deutlich leichter ist. Die eigentliche Grundplatte der dreigeschossigen Holzkonstruktion bildet eine Fundamentplatte im Erdgeschoss. Sie besteht aus Betonkammern, die mit Misapor gefüllt sind.

Lobenswerter Holzbau

Beim neuen Schulhaus handelt es sich um einen kompakten, dreigeschossigen Bau mit einer Seitenlänge von 45 mal 45 Metern, der nicht hinterm Berg damit hält, dass es sich um eine Konstruktion aus Holz handelt. Selbstbewusst wird hier das Baumaterial als entwurfsprägender Hauptakteur präsentiert. Innen wie aussen. Zumal die Bauherrschaft zurecht stolz darauf ist, dass die rund 970 Kubikmeter Holz aus der unmittelbaren Umgebung stammen. Genauer gesagt: aus den Wäldern von Weinfelden. Dementsprechend wurde dem Gebäude das Label «Schweizer Holz» verliehen. Dazu erklärte Paul Koch, der Präsident von Lignum Ost, dem Schulleiter Jean-Philipp Gerber: «Hier wurde ein fantastisches Projekt realisiert, wie man es sich im Sinne der Nachhaltigkeit immer wünschen würde.»

Nicht nur das Holz stammt aus der Region, auch die beteiligten Firmen, was entsprechend kurze Transportwege garantierte. Um das Projekt gemeinsam zu stemmen, schlossen sich hierfür zwei Unternehmen aus Weinfelden – die Bornhauser Holzbau AG und die Wiesli Holzbau AG – sowie die Kaufmann Oberholzer AG aus Schönenberg zu einer Arbeitsgemeinschaft im Holzbau zusammen.

Das Tragwerk des Gebäudes ist aus vorproduzierten Wandelementen (Brettschichtholz) gefertigt. Über die Räume spannen sich sichtbare Holzrippen (200 mm × 400 mm), die mit einem UV-Schutz versehen wurden. Dünne Betonelemente und eine entsprechende Wärme- und Trittschalldämmung bilden den Bodenaufbau.

Dieser schliesst mit einem Linoleumbelag ab. Die Fassade besteht aus Holzständern mit einer Zellulosedämmung, die aussenseitig mit Holzfaserdämmplatten und einer hinterlüfteten Fassadenschalung aus sägerauem Weisstannenholz ergänzt wurde. Durch das zwei Meter auskragende Dach ist die Fassade in grossen Teilen vor der Witterung geschützt.


Umfangreiches Raumprogramm

Den zentralen Bereich des quadratisch angelegten Gebäudes bildet die Aula mit integrierter Bühne, die im regulären Schulbetrieb als Pausenhalle dient, aber genauso als Veranstaltungsort genutzt werden kann. An die Aula, die etwas abgesenkt wurde, schliessen sich auf den gegenüberliegenden Seiten zwei Lichthöfe an. Sie sorgen für ausreichend natürliche Belichtung im Inneren des Gebäudes. Zudem schaffen sie Blickbezüge zwischen den Geschossen und brechen das kompakte Volumen in der Vertikalen auf.

Im Erdgeschoss gruppieren sich um die Aula verschiedene Räume, unter anderem ein Werkraum mit Werkbänken und weitere Handarbeitsräume. In den beiden Obergeschossen befinden sich die insgesamt 14 Klassenzimmer mit dazugehörigen Gruppenräumen, die sich entlang der Fassade wie Perlen aneinanderreihen und über Glastüren miteinander verbunden sind. Jene Räume, die auf der Innenseite des Gebäudes liegen, werden zusätzlich über einen der beiden Lichthöfe mit Tageslicht versorgt. Oberhalb der Aula wurde eine Bibliothek beziehungsweise ein Multifunktionsraum untergebracht. Die Räume werden jeweils von den beiden Treppenhäusern her erschlossen und bilden das Herzstück der oberen Etagen.

Das Raumprogramm der Schule umfasst neben den Klassenzimmern und Gruppenräumen auch Bereiche, die dem Förderunterricht, der Logopädie und der schulischen Heilpädagogik vorbehalten sind. Darüber hinaus gibt es auch zwei zusammenschaltbare Multifunktionsräume, eine Tagesschule mit Ruhe- und Bewegungsraum, zwei Lehrerzimmer und eine Schulküche.


Dicht am Geschehen

Nach zwei Jahren Nutzung des neuen Schulhauses lässt sich bereits ein positives Fazit ziehen. Nicht nur der Schulleiter Jean-Philipp Gerber und die am Bau beteiligten Unternehmen sind zufrieden mit dem Ergebnis, auch die Gemeinde scheint es zu sein. Und vor allem die Kinder: Ihre Identifikation mit dem Gebäude ist gross, was sicherlich auch daran liegt, dass sie den Bau der Schule hautnah miterleben durften. So hatte beispielsweise die Bornhauser Holzbau AG die Schulklassen eingeladen, einen Blick in die Produktion der Holzelemente zu werfen – damit sie sehen konnten, wie ihre Schule entstand.
bornhauser-holzbau.ch, kaufmann-oberholzer.ch, wiesli-holzbau.ch?

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