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BAU.WERK

Überbrückungshilfe

Fünfzig Meter ist der neue Markthallensteg lang, der in Wattwil über die Thur führt und ein Kultur- mit einem Sportareal verbindet.

Text Susanne Lieber; Fanzun AG | Fotos Gemeinde Wattwil | Plan Fanzun AG

Rund 65 Tonnen wiegt der neue Markthallensteg in Wattwil (SG), der seit April dieses Jahres über die Thur führt und die neue Sport- und Freizeitanlage Rietwis mit der Markthalle (dort finden Messen, Konzerte und Sportveranstaltungen statt) verbindet. Verwendet wurden für den Brückenbau rund 115 Kubikmeter Holz. Und zwar ausschliesslich Holz aus der Gemeinde Wattwil, weshalb der Bau auch mit dem Label Schweizer Holz zertifiziert werden konnte. Diese Holzmenge wächst in der Schweiz übrigens in exakt fünf Minuten und fünfzehn Sekunden nach.

In das Brückenprojekt involviert waren neben dem Churer Generalplanerbüro Fanzun AG auch die zwei Holzbaubetriebe Abderhalden Holzbau AG aus Wattwil und die Hüsser Holzleimbau AG aus Bremgarten (AG).

In ihrer Fachwerkbauweise lehnt sich die überdachte Holzbrücke an die traditionelle Brückenarchitektur des Toggenburgs im 18. und 19. Jahrhundert an. Die leichte Bogenform verleiht der Brücke hierbei eine gewisse Dynamik.


Stützenfreie Konstruktion

Die Brücke ist als einfacher Balken dimen­sio­niert. Statisch beansprucht wird die Kons­truktion durch ihr Eigengewicht, die Schnee- und Windlasten, die Werkleitungen, die Lasten aus dem Verkehr (nur Unterhaltsfahrzeuge) und gegebenenfalls auch durch eine Erdbeben­einwirkung. Die leicht gebogenen Fachwerke aus Brettschichtholz (GL24h) weisen eine Höhe von rund vier Metern auf. Die Diagonalen wurden so geplant, dass die jeweiligen Neigungen von der Mitte zu den Auflagern steigen. Diese «Verdichtung» der Stützen folgt dem Kräfteverlauf (höhere Belastungen am Rand) und sorgt für eine gewisse Dynamik, die auch bei den horizontalen Diagonalen an der Dachuntersicht ablesbar ist. Die Diagonalen dienen als Stabilisierung des oberen Druckgurts. Das Dach wird durch horizontal liegende Querträger mit variabler Höhe gestützt. So wird einerseits die Dauerhaftigkeit der Konstruktion erhöht, anderseits stabilisiert dies die Brücke zusätzlich gegen die horizontalen Einwirkungen (Wind und Erdbeben).

Der Gehweg ist bündig mit der Oberkante der unteren Gurten und mit Holzbohlen versehen. Diese verlaufen als Durchlaufträger über die Querträger, die an den unteren Gurten befestigt sind. Darunter können Werkleitungen aufgehängt werden, sodass diese elegant und unsichtbar durch die Brücke laufen. Die steife Konstruktion ist zur Aufnahme der Schwingungen infolge der Nutzung optimal konzipiert. Die Fundation im setzungsempfindlichen Baugrund wurde mit massiven Ortsbetonfundamenten ausgeführt.

Die Konstruktion wurde so schlicht und einfach wie möglich gehalten. Das Ziel bestand darin, einerseits so wenig Material wie möglich zu verwenden (um die Kosten gering und den Bauablauf kurz zu halten) und anderseits das Tragverhalten klar darzustellen. Die Dauer­haftigkeit der Holzbrücke wird mit
verschiedenen konstruktiven Massnahmen gewährleistet. Das Dach stellt dabei den grössten Schutz. Die Diagonalen werden dreiseitig mit Opferbrettern geschützt. Diese lassen sich problemlos austauschen. Die obere Kante des Untergurts wird mit einem nach aussen hin abgeschrägten Blech und seitlich mit einer hinterlüfteten Holzverkleidung geschützt. Eine Schwarzabdichtung deckt die Querträger unter der Gehfläche ab. Die Holzbohlen sind sägerau ausgeführt und nicht weiter behandelt. Diese stellen Verschleisselemente dar, die bei Bedarf einzeln ausgewechselt werden können.


Nistplatzmöglichkeit

Mit der Planung der Brücke dürften nicht nur Spaziergänger und Radfahrer ihre Freude haben. Auch die Fauna zieht ihren Nutzen daraus: Unter der Brücke wurden zwölf Nistplätze für Bachstelzen und Wasseramseln angebracht, die an klaren Fliessgewässern ihre Nahrung suchen und in unmittelbarer Nähe brüten.
abderhalden-holzbau.ch, huesserholzleimbau.com

 

hier gehts zum Zeitraffer-Video der Brückeneinhebung

Das Projekt – die Fakten

Projekt: Markthallensteg in Wattwil (SG)
Nutzung: Nicht motorisierter Verkehr
Fertigstellung: 2023
Bauherrschaft: Gemeinde Wattwil (Projektleiter: Peter Schweizer)
Architektur: Fanzun AG, Chur (Projektleiter: Andrej Turcan)
Bauingenieurwesen und technische Bauleitung: Fanzun AG, Chur (Valerio Plozza)
Holzbauingenieur (Werkplanung): Hüsser Holzleimbau AG, Bremgarten (AG), (Thierry Beauverd)
Holzbau: Abderhalden Holzbau AG, Wattwil (Christoph Abderhalden, Gesamtverant­wortung); Hüsser Holzleimbau AG, Bremgarten (Subunternehmer)
Konstruktion/Tragwerk: Holzfachwerkträger mit variabler Neigung der Diagonalen;
horizontale Aussteifung gegen Wind und Erdbeben mit Diagonalen und Portalrahmen
Holzmenge und -art: 115 m3 Brettschichtholz (GL24h Fichte); Schweizer Holz
Dimension der Brücke: 50 m Länge; 4,8 m Gesamtbreite (Gehwegbreite: 3 m)
Besonderheiten: zertifiziert mit Label Schweizer Holz; Geländer mit integrierter Beleuchtung; Werkleitungen integriert unter Gehfläche;
Erosions- und Grundbruchschutz mit Spundwänden; Nistkästen für Wasseramsel und Bachstelze
Gesamtkosten: ca. CHF 1,25 Mio.


Fanzun AG

Mit Standorten in Chur, Samedan, Scuol, Zürich, St. Gallen und Bern ist die Fanzun AG als Generalplaner in den Bereichen Tourismus, Gewerbe, Infrastruktur und Wohnungsbau tätig. Dabei kann das Unternehmen – gegründet 1964 – auf fast sechzig Jahre Erfahrung im Bauwesen zurückblicken.
fanzun.swiss

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